Ein Traum in Pink

Ein Traum in Pink

Alles fing damit an, dass mir vor ein paar Jahren mein geliebtes, hart erarbeitetes, erstes selbst bezahltes Fahrrad aus dem Gemeinschaftskeller geklaut wurde. Abgeschlossen. Aus einem nur für die Mieter zugänglichen Keller. Und trotzdem bekam mein Fahrrad “Füße” (oder heißt es in diesem Fall “Räder”?!?). Nun gut, ein Fahrraddiebstahl muss scheinbar jedem Darmstädter Bürger mindestens einmal im Leben passieren, so quasi als Aufnahmeritual. Was früher die Taufe mit Woogs-Wasser war, ist heute scheinbar der Fahraddiebstahl.

Mit meinem Ersatzfahrrad wurde ich nie richtig glücklich. Es war doch ewig nur ein ungeliebter Ersatz. Nachdem ich mir zu guter Letzt beim Fahren über Kopfsteinpflaster einen Rückenwirbel ausgerenkt hatte, hatte ich endlich einen Grund, um mich von meinem ungeliebten Fahrrad zu trennen und mir ein neues und noch dazu bequemeres Fahrrad zuzulegen.

Fündig wurde ich beim lokalen, alteingesessenen Fahrradhändler und ehe ich es mich versah wurde ich Eigentümerin eines knallpinken Hollandrades, einer “Gazelle”. Ein matt-schwarzes Modell wäre zwar ebenfalls verfügbar gewesen, aber Pink ist

  1. a) total toll und
  2. b) diebstahlsicher(er) als ein schwarzes Modell.

Und pink ist sowieso total toll, habe ich das erwähnt?

Und so radele ich mittlerweile die zweite Fahrradsaison mit meiner pinken Gazelle durch Darmstadt.

Als ich neulich nachmittags nichts mit mir anzufangen wußte, die Sonne aber genießen wollte, fiel mir spontan meine treue Gazelle ein. Nach einem kurzen Zwischenstopp in unserem Stammcafé fuhr ich zunächst vermeintlich ziellos durch die Gegend und fing mich bereits an zu fragen, wie lange ich das aushalten würde, ohne mich zu langweilen. Nach einiger Zeit jedoch bekam der eigentlich abgedroschene Spruch “Der Weg ist das Ziel” eine echte Bedeutung, denn ohne Ablenkung durch einen Mitradler wurden meine Gedanken klarer und fokussierter. Zwangsläufig stellte sich eine Art meditative Entspannung ein und ich genoß meine Umgebung und das Radeln in vollen Zügen.

Für entschleunigtes Radeln sind Hollandräder einfach prädestiniert; mit einem Hollandrad bleibt Zeit, die Umgebung wahrzunehmen und zu genießen. Trotzdem krieche ich nicht durch den Verkehr und bin mit meiner Drei-Gang-Schaltung häufig flotter unterwegs als mancher Mountainbiker mit 21 Gängen. Jeder überflüssige Schnickschnack lenkt auf Dauer doch einfach nur ab.

Mein pinkes Rad und ich ziehen häufig Blicke auf uns. Und oftmals schlägt uns ein nettes Lächeln entgegen. Wer lächelt da nicht gerne zurück?