Mulan auf Disney+

Mulan auf Disney+

Anschauen oder nicht? Zugegeben, ich war eine Weile am Überlegen, den Film gegen eine Zusatzgebühr zu streamen oder auf den regulären Start zu warten. Die Berichte über Menschrechtsverletzungen an den Drehorten (ob wahr oder nicht) gaben bei mir jedoch letztendlich den Ausschlag, wenigstens zu warten, bis Mulan auf Disney+ ohne Zusatzkosten verfügbar sein wird. Dabei hat der Zeichentrickfilm einen festen Platz in den Reihen meiner liebsten neueren Disney-Zeichentrickfilme und ist eine der wenigen Ausnahmen, bei denen ich mich auf die Realverfilmung gefreut hatte. So haben wir uns den Film nun erst vor wenigen Tagen, dafür aber immerhin direkt am Veröffentlichungstag (4. Dezember 2020) angeschaut. Und ich bin begeistert. Der Film hat es geschafft, dass ich aufmerksam zugeschaut habe und drangeblieben bin, ohne ständig mein Smartphone zu checken. Das ist mir in der letzten Zeit eher selten geglückt.

Zur Story

Als älteste Tochter eines geachteten, jedoch körperlich versehrten Kriegers hat es (Hua) Mulan nicht leicht: Sie selbst ist mit allen Talenten ihres Vaters gesegnet, soll jedoch entsprechend der traditionellen Geschlechterrolle verheiratet werden und eine brave, demütige Ehefrau abgeben, um die Ehre der Familie aufrecht zu erhalten. Als der Kaiser von China eine Armee zusammenstellt, um gegen mongolische Krieger in den Kampf ziehen zu können, muss auch Mulans Vater in Ermangelung eines männlichen Nachkommens in den Krieg ziehen. Da absehbar ist, dass er den Krieg aufgrund seines Zustands nicht überleben würde, stiehlt Mulan sein Schwert und seine Rüstung und zieht an seiner statt in den Krieg – unter falscher männlicher Identität. Sie steigt zu einem der erfolgreichsten Krieger auf, wird von ihren Kameraden und Vorgesetzten geachtet und beschützt ihre Kameraden vor dem sicheren Tod. Als sie jedoch ihre wahre Identität verrät, wird sie unehrenhaft aus der Armee entlassen und entehrt ihre Familie.

Mulan jedoch gibt nicht auf und kämpft sich zurück. Letztendlich wird sie sogar zur Retterin des chinesischen Kaisers. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt dabei auch die Hexe Xianniang, die ihr Leben opfert, um Mulan das Leben zu retten.

Einziger Kritikpunkt

Lediglich die Kampfszenen sind teilweise schlicht weg falsch: Die Mongolen waren seinerzeit nur schwer besiegbar, weil sie den Bogenschuss über den Rücken beherrschten, den sogenannten Parther-Schuss, und dadurch beweglicher waren als ihre Gegner. Warum die Krieger sich stattdessen wie von Zauberhand auf dem Sattel drehen und rückwärts reiten müssen, um ihre Pfeile abschießen zu können, hat vehementes Unverständnis bei meinem Mann ausgelöst, den solche Fehler als Historiker zurecht stören. Auch die Steinschleudern wurden in dieser Bauart nur in Europa genutzt und wären noch dazu niemals in einer Feldschlacht zum Einsatz gekommen. Von strategischen Fehlern der Heere ganz zu schweigen. Allerdings haben epische Schlachtszenen im Film selten etwas mit echten Schlachten zu tun. Als schlechtes Beispiel dient hier insbesondere die finale Schlacht um Winterfell in der letzten Staffel von Game of Thrones.

Fazit

Die Realverfilmung ist mehr als gelungen: Die Charaktere sind interessant gezeichnet, die Bildsprache ist mehr als ansprechend (und verstärkt meine Sehnsucht nach fremden Ländern. China steht noch auf meiner Reiseliste).

Auch die neu hinzugekommenen Rollen passen prima in den Plot, allen voran die Hexe Xianniang, die letztendlich eine Frau ist, der man nie die ihren Talenten entsprechende Rolle zugestanden hat. Dies kennen wir ja nicht zuletzt aus Europa, wo Frauen mit besonderen Kräften oder einfach nur eigenem, starken Willen über Jahrhunderte auf den Scheiterhaufen gelandet sind. Die Thematisierung der Probleme chinesischer Frauen, denen als einzige Rolle die der braven und unterwürfigen Frau zugedacht war und die selten in dieses enge Rollenkorsett passten, ist auch aufgrund dieser Figur gut gelungen.

Mulan ist kämpferisch, setzt sich durch und ist am Ende auch dank ihres Teams, sprich ihren Kameraden, unbesiegbar, obwohl sie aufgrund ihres Mutes, ihr wahres Ich zu offenbaren, zunächst verstoßen wurde.

Vielleicht ist Mulan nicht mehr als eine Legende, aber es braucht schließlich Held*innen, die anderen als Vorbild dienen können, ob es nun reale Vorbilder gibt oder nicht.

Exkurs: Disney und Diversity

Wie schon in der Realverfilmung von Aladdin hat sich Disney Mühe gegeben, in der Realverfilmung von Mulan die wichtigen Aspekte von Vielfalt (Diversity) zu berücksichtigen. So verbirgt sich auch in Mulan mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. So sollen starke Frauenrollen Mädchen und Frauen dazu ermutigen, an sich zu glauben und sich nicht mit der ihnen geschlechtsmäßig zugedachten Rolle abzufinden. Dies ist leider aktueller denn je und wird durch die anhaltende Corona-Pandemie noch verstärkt.

Außerdem sind (endlich) alle Darsteller*innen asiatischer Herkunft, sprich passen zum Film, was keine Selbstverständlichkeit ist und ursprünglich anders geplant war. So waren ursprünglich waren weiße Darsteller*innen vorgesehen, was zum Glück nicht ungesetzt wurde und zum Wechsel bei der Regie geführt hat. Hier sind wir schnell bei einer weiteren Besonderheit: Die neuseeländische Regisseurin Niki Caro ist erst die zweite Frau, die für Disney einen Film mit einem Budget von über 100 Millionen Dollar realisieren darf. Traurig genug, aber ein großer Schritt in Richtung echte Gleichberechtigung. Danke Disney!

Alles in allem zeigt Disney ein großes Spektrum seines Könnes.

Wir vergeben daher gerne fünf von fünf möglichen Friedrich-Mäusen! 🙂